KONZEPTION

Ambulant betreutes Wohnen (ABW)
der Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH / Bereich Ambulante Dienste

0.    Einleitung

Aufgabe und Zweck der Gesellschaft ist es, integrative Einrichtungen, Einrichtungen zur Beratung, Betreuung und Bildung, zur Familienentlastung, zum Wohnen (ambulant und stationär), zur Freizeitgestaltung und Rehabilitation lern-, geistig-, seelisch- und mehrfach behinderter sowie suchtkranker und demenzkranker Menschen anzuregen, zu schaffen und selbst zu unterhalten. Alle diese Maßnahmen dienen einer wirksamen Eingliederung dieses Personenkreises im Sinne der Sozialgesetzbücher (SGB II, SGB III,  SGB VIII, SGB IX, SGB XI und SGB XII).

Die Gesellschafter der Nordthüringer Lebenshilfe sind

  • die Lebenshilfe Kreisvereinigung Nordhausen e. V. zu 50 % und
  • der evangelische Kirchenkreis Südharz zu 50 %.

Beide gehören dem Spitzenverband der Diakonie (Diakonisches Werk der evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands e.V.) an.

Unter dem Dach der Ambulanten Dienste der Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH kann mit Angeboten des Ambulant betreuten Wohnens eine vorzeitige Heimunterbringung des behinderten Menschen gemäß der sozialpolitischen Forderung "ambulant vor stationär" verhindert werden.
Menschen mit Behinderung können selbst bestimmt leben, wenn sie entsprechende Hilfen zur selbständigen Lebensführung erhalten. Mit dem ABW gewährleistet die Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH ein weiteres Hilfsangebot zur Durchsetzung gleicher Rechte für behinderte Menschen im Landkreis Nordhausen.

1.     Leitziele des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW)

Wohnen ist ein Grundbedürfnis und ein Grundrecht eines jeden Menschen. So soll auch der Wohnraum dem Individualbedürfnis eines jeden Menschen entsprechen.

Um dieser Grundforderung auch für Menschen mit einer geistigen, seelischen, körperlichen oder mehrfachen Behinderung gerecht zu werden, müssen entsprechende Hilfsangebote vorgehalten werden. Menschen mit einer Behinderung sollen die Möglichkeit haben, gemeindenah zu wohnen. Sie sollen selbstverständliche Nachbarn in unseren Wohngebieten sein.
In seiner Wohnung soll der Mensch mit Behinderung alle Möglichkeiten zur individuellen Lebensgestaltung erhalten, aber auch Schutz und Geborgenheit finden.

Der Begriff „Ambulant betreutes Wohnen“ beinhaltet ein verbindlich vereinbartes Dienstleistungsangebot, das Menschen mit einer Behinderung Hilfestellung und Assistenz beim Leben in der eigenen Wohnung gibt. Ziel ist eine möglichst autonome Lebensführung sowie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch ein bedarfs- und bedürfnisgerechtes Angebot. Dieses kann alle Belange des Lebens umfassen und muss so angelegt sein, dass dem Hilfesuchenden, unabhängig von Art und Schwere der Behinderung, Möglichkeiten einer selbst bestimmten Lebensführung eröffnet werden.

Grundsätze der ambulanten Hilfen sind:

  • Das ABW ist geprägt von einem Helferverständnis, das sich als assistierend und begleitend definiert.
  • Neben der Unterstützung einer Lebensführung in weitestgehender Selbständigkeit trägt das ABW zur sozialen Integration und Normalisierung bei.
  • Der Dienst des Ambulant betreuten Wohnens arbeitet nutzerorientiert, d. h. die Hilfen richten sich nach der individuellen Bedarfslage des Hilfesuchenden.
  • Es handelt sich um Hilfeangebote, die sich sowohl durch Flexibilität (zeitlich und räumlich, Art und Umfang) als auch durch Verlässlichkeit auszeichnen und ebenso Alltags- sowie Notfallhilfen bereitstellen.

2.     Rechtsgrundlage

Dienstleistungen im Ambulant betreuten Wohnen basieren auf dem § 13 Abs.1 SGB XII, in dem der ambulanten Hilfe Vorrang vor stationärer Hilfe eingeräumt wird.  

Durch die Bereitstellung ambulanter und mobiler Hilfen kann die Fähigkeit zum eigenständigen Wohnen erhalten und gestärkt werden und eine Heimunterbringung vermieden werden, soweit diese nicht von den Hilfeempfängern gewünscht wird. Ambulante Hilfen eröffnen somit gemäß § 9 SGB IX Wahlmöglichkeiten für die Betroffenen und tragen einen großen Teil dazu bei, dass Leistungsberechtigte Raum zu eigenverantwortlicher und selbst bestimmter Gestaltung ihrer Lebensumstände erhalten.

Die im ABW erbrachten Leistungen sind Leistungen der Eingliederungshilfe und basieren auf der Beschreibung von Maßnahmen, wie sie in den §§ 53/54 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX ausgeführt sind.

3.     Personenkreis

Zu dem Personenkreis im Ambulant betreuten Wohnen gehören Menschen mit Behinderung,

  • die vorübergehend, für längere Zeit oder auf Dauer nicht zur völlig selbstständigen Lebensführung fähig sind
  • für die stationäre oder teilstationäre Hilfe nicht, noch nicht oder nicht mehr erforderlich ist
  • die gemeinschaftsfähig sind, so dass sie im selbst gewählten Wohnumfeld leben können
  • die in eine eigene Wohnung ziehen wollen oder bereits in einer solchen leben bzw. in einer Wohngemeinschaft leben
  • die den Wunsch und die Einsicht in die Notwendigkeit von begleitender Hilfe und Unterstützung haben.

 

4.     Leistungsbeschreibung

4.1. Hilfebedarfsermittlung und Assistenzvertrag

Zum Verfahren beim Anspruch auf Ambulant betreutes Wohnen:

1.    Der Hilfesuchende entschließt sich, in eine eigene Wohnung zu ziehen. In der Vorbereitung überlegt er sich, wie viel und welche Unterstützung und Begleitung er noch braucht.

2.    Der Hilfesuchende kann sich, auch gemeinsam mit seinen Angehörigen bzw. gesetzlichem Vertreter, an die Beratungsstelle der Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH  wenden, um sich über die Möglichkeiten begleitender Hilfe beraten zu lassen. Darüber hinaus berät die Leitung des Ambulant betreuten Wohnens über das Leistungsangebot.

3.    Der Hilfesuchende oder sein gesetzlich bestellter Betreuer stellen einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII an das kommunale Amt für Jugend und Soziales. Dabei kann ebenfalls die Beratungsstelle der Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH Unterstützung leisten.

4.    Der Sozialhilfeträger prüft die Anspruchsberechtigung.

5.    Nach einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen nach Hilfebeginn vereinbaren Sozialhilfeträger, ABW-Dienst und Leistungsempfänger, mit welcher Zielstellung die Hilfe geleistet werden soll.

6.    Der ambulante Betreuungsdienst und der Leistungsempfänger schließen einen Assistenzvertrag zur konkreten Durchführung der Hilfen und zur Zusammenarbeit.
 
7.    Eine Überprüfung des Hilfeplanes erfolgt in angemessenen Zeitabständen.

4.2. Einzelassistenz

Die Betreuten leben in ihrer eigenen Wohnung und erhalten nach Bedarf oder Anforderung Beratung, Hilfe, Unterstützung und Begleitung. Die Betreuungszeit richtet sich ebenfalls nach dem individuellen Bedarf des Einzelnen.
Das Angebot des ambulanten Betreuungsdienstes kann Hilfen in allen Bereichen des täglichen Lebens umfassen. Im Wesentlichen sind dies:

  • Hilfe und Anleitung bei der lebenspraktischen Alltagsbewältigung (u. a. Hauswirtschaft, Geldeinteilung, Einkauf, Hygiene)
  • Hilfe und Anleitung bei Krankheit und Medikation (z. B. Umsetzung ärztlicher Verordnungen, regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei Haus- und Zahnarzt sowie anderen Fachärzten, das eigene Verhalten im Krankheitsfall)
  • Hilfe, Anleitung und Begleitung zum Leben in der Gemeinschaft (z. B. soziale Kontakte, Freizeitgestaltung, Urlaub, Nachbarschaftskontakte, Alltagsbewältigung)
  • Hilfe, Anleitung und Begleitung bei der Bewältigung von Konflikten und Krisen (z. B. persönliche Krisen, Konflikte am Arbeitsplatz usw.)

In der ersten Zeit nach dem Einzug in die eigene Wohnung ist mit einem erhöhten Betreuungsbedarf zu rechnen. Die Anforderungen durch den eigenen Haushalt, die Ablösung vom bisherigen Umfeld und die Orientierung im neuen Umfeld bedürfen anfangs einer besonders intensiven Begleitung.

4.3. Freizeitgestaltung in der Gruppe

  • Die gleichberechtigte Teilnahme an Kultur- und Freizeitangeboten und weiteren öffentlichen Veranstaltungen im Landkreis und darüber hinaus soll den Nutzern vielfältige Erlebnisse und Selbsterfahrungen ermöglichen sowie neue Kontakte erschließen.
  • Das Gefühl der Gemeinsamkeit erleben die ABW-Nutzer z.B. beim Besuch von kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen, bei Wanderungen, bei selbstorganisierten Themenabenden sowie bei größeren Festen im Jahreslauf. Individuelle Angebote in Kleingruppen gehören zum regelmäßigen Angebot.
  • Während der Urlaubszeit bietet das ABW ein erweitertes Freizeitangebot mit erlebnisreichen Tagesausflügen.
  • Durch die Hilfen zur Teilnahme am Leben der Gemeinschaft erfährt der Mensch mit Behinderung Spaß und Freude am eigenen und gemeinsamen Tun, er wird zu mehr Selbständigkeit befähigt, Ausgrenzung und soziale Isolation werden abgewandt, die Gruppenfähigkeit wird angebahnt, Selbstbewusstsein und Belastbarkeit werden erhöht.
  • Im Rahmen der Freizeitgestaltung stehen Bildungsangebote unter folgender Zielsetzung:
    • Erweiterung der Allgemeinbildung
    • Übungen in sprachlicher Kommunikation,
    • Kulturtechnische Hilfen (z. B. Lesen, Schreiben, Rechnen, Umgang mit Geld, mit Behörden u. a. m.)
    • Qualifizierung für die Bewältigung des Alltags
    • Austausch von Gedanken und Fragen (Thematische Gesprächskreise)

5.    Personalstruktur

Die Tätigkeit im ABW erfordert die Fähigkeit zu selbständigem Arbeiten und zur Bewältigung vielfältiger Aufgaben. Eine diplomierte Fachkraft der Sozialwissenschaften übernimmt die Gesamtleitung des ambulant betreuten Wohnens. Ein Team von hauptamtlich angestellten Fachkräften mit entsprechender Qualifikation wird in der Betreuung und Unterstützung von Menschen mit Behinderung eingesetzt, ist aber auch mit Fragen der Organisation der Hilfsangebote befasst.

Der Träger hat sich im ABW bewusst für einen multiprofessionellen Ansatz entschieden und gibt seinem Team aus Mitarbeitern unterschiedlicher Qualifikation (Sozialpädagoge, Heilerziehungspfleger, Erzieher etc.) die Möglichkeit zum fachlichen Austausch und zur Reflexion in regelmäßigen Teambesprechungen und Supervision.

Die stundenweise vor allem im Freizeitbereich eingesetzten freien Mitarbeiter verfügen über eine besondere persönliche Eignung für diese Tätigkeit mit breit angelegtem Wissen und vielfältigen Kompetenzen. Die Leiterin des ABW informiert und schult die Betreuer über die Spezifik der Arbeit mit behinderten Menschen.

Für die Übernahme von Verwaltungsarbeiten ist eine ausreichende Verwaltungskapazität vorhanden.

6.    Finanzierung

Jährlich wird ein Kosten- und Finanzierungsplan nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung aufgestellt. Die Entgelte sind leistungsgerecht und gewährleisten eine bedarfsgerechte Hilfe.

Der örtliche Sozialhilfeträger gewährt Leistungen gemäß der aktuell vereinbarten monatlichen Pauschale pro ABW-Nutzer.

Betreute mit entsprechendem Einkommen und Vermögen werden als Selbstzahler an den Kosten beteiligt.

7.     Qualitätssicherung

Die leitende Fachkraft trägt die Verantwortung für die Umsetzung der notwendigen / vorhandenen Kenntnisse bei der Begleitung der behinderten Menschen. Ihr obliegt die organisatorische und inhaltliche Verantwortung sowie die Einsatzplanung und Anleitung der Mitarbeiter/innen.

Das Assistenzangebot ist auf Dauer ausgerichtet und wird den sich verändernden Bedarfslagen seiner Klientinnen angepasst.

Der multiprofessionelle Ansatz des ambulanten Dienstes (siehe Pkt. 5) sichert eine bedarfsgerechte Assistenz der betreuten Personen ab. Zwischen den Mitarbeiter/innen findet ein regelmäßiger fachlicher Austausch statt. Dabei werden wichtige klientenbezogene Informationen wie auch neue fachliche Kenntnisse ausgetauscht, damit eine bestmögliche Betreuung/Unterstützung der Klienten möglich ist. Die Mitarbeiter/innen nehmen darüber hinaus an fachspezifischen internen und externen Fort- und Weiterbildungen regelmäßig und nachweisbar teil und geben ihr Wissen innerhalb des gesamten Teams weiter. Dabei wird auch besonders auf den klientenbezogenen Bedarf geachtet. So ist eine bestmögliche Unterstützung durch aktuelle fachliche Kenntnisse der Mitarbeiter/innen abgesichert.

Der ABW-Träger stellt die Ressourcen für eine mobile und flexible Dienstleistung (Dienstfahrzeuge, mobile Telefone). Für Freizeitaktivitäten in der Gruppe stehen ausreichend Räumlichkeiten des Trägers zur Verfügung.

Der ausreichende Versicherungsschutz (Haftpflicht, Unfall) der Betreuer/innen ist durch die Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH gegeben.

8.    Zusammenarbeit mit anderen Diensten und Einrichtungen

Um eine fachgerechte Arbeit zu gewährleisten und um die für das ABW bereitgestellten finanziellen Mittel wirtschaftlich einsetzen zu können, ist sowohl eine enge Zusammenarbeit innerhalb der Nordthüringer Lebenshilfe gemeinnützige GmbH als auch mit anderen sozialen und kulturellen Einrichtungen und Diensten im Landkreis Nordhausen unumgänglich.

Unser Konzept als PDF.

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